Unihockey hat nichts mit Hochschule zu tun, sondern ist ein rasantes, attraktives Ballspiel mit skandinavischen Wurzeln. In Weißenfels, dem deutschen Zentrum der Sportart, findet derzeit das Finalturnier der Champions League des Unihockeys statt
So ähnlich hat sich der 19-jährige Erik Wallström seine Begegnung mit der Unihockey-Champions-League vorgestellt: Er, einer der auffälligsten Akteure; Jubel, wenn immer er den Ball führt, und zum Schluss gibts Blumen. Für ihn – natürlich – weil er als „Player of the match“ seines Teams ausgezeichnet wird. So ungefähr war es dann auch am Donnerstag, als Erik Wallström vor etwa 1.000 Zuschauern in der Weißenfelser Stadthalle sein erstes Champions-League-Spiel – fernab aller Träumereien – in Echtzeit absolvierte.
Auch wenn die Realität mit weit weniger Luftballons und nicht ganz so bunten Farben auskam: Denn Spieler des Tages wurde er zwar, und bei jeder Anbahnung eines Schussversuchs frenetisch bejubelt, allerdings spielte er auch für die Mannschaft, die ihr erstes internationales Pflichtspiel mit 1:27 verlor. Ein Ergebnis, dass – bleiben wir bei der Champions League und vergrößern nur den Ball – etwa mit einem 1:15 der Münchner Bayern zu vergleichen ist.
Aber Fußball ist nicht Unihockey, und Deutschland schon gar nicht Schweden. Und so war ein Ergebnis in dieser Größenordnung zu befürchten, da es der deutsche Meister UHC Sparkasse Weißenfels im ersten Gruppenspiel immerhin mit Pixbo Wallenstam IBK, dem schwedischen Champion und damit weltbesten Vereinsteam zu tun hatte. Zur Verdeutlichung: Erik Wallström wechselte im Sommer von Hagfors, einem schwedischen Drittligisten, zu dem deutschen Spitzenverein. Offiziell im Rahmen eines Auslandsjahrs, um nach seiner Ausbildung zum Informationstechniker die deutschen Sprachkenntnisse zu vervollkommnen – in Wahrheit, um sich den skandinavischen Jugendtraum zu erfüllen, einmal in der Europapokal-Endrunde mitzuspielen, und dazu im Land der Fußballer Unihockey-Aufbauhilfe zu leisten.
Und diese hat der dem Eishockey verwandte Hallensport in Deutschland zumindest in spielerischer Hinsicht bitter nötig. Denn der Klassenunterschied zwischen dem Meister der hiesigen ersten Amateurliga und der europäischen Spitze, größtenteils bestehend aus Halbprofis, ist in den letzten Jahren zwar geringer geworden, aber immer noch unübersehbar. Die Begründung ist einfach, sagt der Leipziger Sportlehrer und Vorsitzende des Deutschen Unihockey-Bundes (DUB), Detlef Stötzner: „Als ich vor gut zehn Jahren während einer Skandinavienreise das aufregende und vielleicht schnellste Sportspiel überhaupt kennen lernte und mit nach Deutschland brachte, war Unihockey im Norden Europas bereits Massenereignis.“ In Schweden gibt es 500.000 registrierte Spieler, die gerade einmal 3.000 deutschen Vereinsmitgliedern gegenüber stehen.
Dennoch tut sich insbesondere in der Region Halle-Leipzig etwas: Hier sind zwei Drittel der deutschen Spieler aktiv, und die beiden Erstliga-Topteams kommen mit Leipzig und eben Weißenfels aus Mitteldeutschland. Weißenfels wurde im Sommer erstmalig Meister und ist der Verein, der mit seinem Präsidenten Rolf Blanke – so etwas wie der Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer des Unihockeys in Personalunion – versucht, den Unihockey-Sport im Land auf professionelle Füße zu stellen.
Blanke arbeitet an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, wiewohl der Name Unihockey – international: Floorball – überhaupt nichts mit Hochschule zu tun hat, sondern sich von dem Begriff „universell“ ableitet. Noch bis Sonntag bringt der Sportwissenschaftler mit der Endrunde des Europapokals in den sachsen-anhaltinischen Städten Weißenfels, Merseburg und Höhenmölsen das bislang größte Unihockey-Happening über die Bühne. Ein Viertagesturnier, bei dem sich die beiden besten deutschen Vereinsmannschaften – Weißenfels bei den Herren und Sahga Team Halle bei den Damen – gegen die in allen Belangen überlegene Konkurrenz aus Schweden, Finnland, Norwegen, Dänemark, Litauen, der Tschechischen Republik und der Schweiz redlich bemühen, jeweils Vorletzter zu werden. Mit dabei sind außerdem bis zum morgigen Finaltag insgesamt mehr als 15.000 Zuschauer, von denen etwa ein Drittel aus ganz Europa gekommen ist. Der Rest setzt sich aus denjenigen zusammen, die in der Region Halle-Leipzig bereits eine der attraktivsten Spielsportarten der Welt für sich entdeckt haben.
Im Jahr 2008 soll in Deutschland übrigens die erste Weltmeisterschaft stattfinden, sagt Blanke, der zudem verrät, dass während der Tagung der International Floorball Federation (IFF) am Wochenende ein Strategieplan verabschiedet werden soll, der die Etablierung der Sportart Unihockey in ganz Deutschland als Ziel verfolgt.
taz Nr. 7254 vom 10.1.2004, Seite 23, 154 Zeilen (TAZ-Bericht), MATHIAS LIEBING